Mein erstes WWOOFing
So liebe Freunde & Familie,
ich melde mich heute aus Byron Shire und ich kann euch gar nicht beschreiben, wie glücklich ich hier bin. Aber immer der Reihe nach: nach ein paar ruhigen Tagen in Cairns travelte ich wie geplant am Sonntag, 02.05. per Flieger nach Brisbane. D. h. 3:30 aufstehen (da wart ihr ja lange NOCH wach :-)) um den Flieger um 6 zu bekommen. Ab dann verlief alles recht abenteuerlich. Ich war froh, dass der Flug bloß 2 Stunden ging, denn ein Nachteil hat das australische Klima: die Australier können einfach nicht ohne Air-Condition und müssen es dabei regelmäßig übertreiben, sodass man inside einen Pullover braucht, wenn man sich länger dort aufhalten will. Und den Komfort wie auf einem Langstreckenflug mit Decken genießt man natürlich auch nicht. Es gab noch nicht mal Radio oder Filme, wenn man keine 10$ dafür ausgeben will, halt ein Billigflieger (114$). So kam mir die Zeit bald länger vor als die 10 Stunden jeweils auf meinen Teilstrecken nach Australien. Nun dann um 8 endlich angekommen (mal wieder einen herrlichen Sonnenaufgang im Flieger erlebt - und den gabs gratis :-)) und ich war die erste die ausstieg. Und nun mal alleine das Gepäckband suchen, aber natürlich auch das hinbekommen, hieß es danach den Airtrain suchen, der mich zum Bus in der Roma Street bringen sollte. Dafür weitere 15$ ausgegeben und erstmal die 15 kg abgesetzt, keine Ahnung wie lange. Dann setzte sich eine indische Familie neben mich und ich war so fasziniert von dem süßen Mädchen und den anderen Insassen und dem Zug und der Umgebung, dass ich gerade noch "Roma Street" las als die Türen wieder schlossen. Toll, da sitz ich nun in einem Zug in einer Weltstadt mit meinen 15 kg und weiß nicht, wo ich ankomme und wo ich als nächstes hin muss und ob ich überhaupt so noch rechtzeitig den Bus bekomme. Natürlich muss es auch noch ein warmer Tag sein als heizt das Gebuckel noch nicht genug ein! Aber man freut sich ja immernoch über Sonne (im Nachhinein :-)) Nun gut, steig ich dann also bei der nächsten Haltestelle aus und laut Anzeigetafel muss ich auf Gleis 2 für die Richtung wieder zurück. Also hoch und was seh ich: sich gerade schließende Türen. Gut, ich hab ja noch genügend Zeit. Es war bereits nach 9 und 9:30 geht mein Bus. und ich weiß noch nicht mal von wo genau. Also gut, die Schweißperlen aus dem Gesicht gewischt und wieder die Treppen hinunter mit meinen 15,5 kg auf dem Rücken und weiteren gefühlten 10 kg in meinen beiden Taschen links und rechts, die prima auf den Rucksackträgern halten ;-) In 7 Minuten kommt der nächste auf Gleis 2. Nach 7 Minuten kam ein Zug auf Gleis 3 und ich war total verunsichert. Soll ich da jetzt einsteigen? Wo komm ich DANN raus, wie würde ich dann in die Roma Street kommen? Und da kamen die nächsten Schweißperlen. Da schlossen sich also wieder die Türen (bereits zum dritten mal in den letzten 10 Minuten) und nun wurde ich wirklich langsam nervös. Ich machte mir schon Gedanken wie ich am besten telefonischen Kontakt zum Herrn Busfahrer aufnehmen könnte. Dummerweise war auch noch gerade Sonntag und so saß wahrscheinlich niemand in dem Office, dass die Fahrt für mich bebucht hat, und wartet auf meinen Anruf. 9:18 dann aber wirklich auf Gleis 2 der nächste Zug. Okay, jetzt darf aber wirklich gar nichts mehr schief gehen und den nächsten muss ich nehmen, egal auf welchen Gleis er abfährt. Genommen, 9:23 angekommen, dreimal durchgefragt, wo DER bestimmte Bus abfährt und dann 9:28 endlich eingestiegen. Ich war so platt, dass ich, kaum gesessen, tatsächlich einschlief, bevor der Bus abfuhr. Diesmal konnte aber nichts schief gehen, denn die Fahrt dauerte 4 Stunden. 2 Stunden später wachte ich auf und wir fuhren immernoch durch die Stadt. Sollte das tatsächlich noch Brisbane sein? Unwahrscheinlich! Aber ich konnte einfach nicht festmachen, wo wir genau waren. Wahrscheinlich Surfers Paradise. Klingt idyllisch, ist tatsächlich aber eine Großstadt mit Wolkenkratzern und so. Naja, dann war ich jedenfalls munter und während einer halbstündigen Pause kurz vor dem Ziel gegen 13 Uhr wollte ich mir doch tatsächlich mal ein Frühstück gönnen, aber da ich kein Geld hatte und die 30 Minuten für ein vergebliches Suchen nach einem Geldautomaten drauf gingen, hatte sich das also auch erledigt. Hatte ich erwähnt, dass ich bis dahin nicht auf Toilette konnte, obwohl ich seit dem Flugzeug musste? Wie auch, wenn man bepackt ist, wie es Esel... ;-) Na gut, 13:20 sollte der Bus ankommen und auf meinen 3610 gefahrenen Kilometern hatte ich nicht einen Stau...bis jetzt NATÜRLICH. So musste der arme Florian, der mich in Byron abholen wollte. 30 Minuten länger in der brütenden Hitze an der Bushaltestelle stehen. Aber warum sollte der Tag nur für mich so brilliant ablaufen :-P So da war ich also und zum Glück war er mit Auto da, sodass ich meine Sachen dort erstmal deponieren konnte. Und der Gute hatte mir auch noch einen viertel Muffin übrig gelassen, als hätte er es geahnt. Florian ist übrigens einer aus der Truppe, der mit mir in Sydney landete und zusammen mit Jan zu der Zeit auch in Byron verweilt. Dann also zum Strand und mein nächstes Glück kam: ein paar Jugendliche haben am Strand ein Barbeque veranstaltet und uns gefragt, ob wir was von ihren Resten haben wollen! Warum verlief nicht der ganze Tag so?! So schien sich alles umzukehren und nach einem tollen Strandtag wurde ich ins Hostel gefahren als es langsam dunkel wurde (17:30). Dort begann es eigentlich ganz gut, als mich gleich auf dem Gang ein Brasilianer ansprach und ich erstmal mein Gepäck abludt, bevor wir uns einige Zeit unterhielten. Bevor die Läden schließen, wollte ich doch noch fix was zum Abendessen holen. Das war dann 19:50 bei Spar nebenan, wo ich mir Fertignudeln holte und sie danach in der Gemeinschaftsküche zubereitete. An sich wär das Essen sicher lecker gewesen, doch mir fehlte Milch als Zutat. So nahm ich Wasser und Salz zum Ausgleich (Warum Salz? Es war halt da!), bevor ich 2 Mädels gegenüber sah, die Creme fraiche vor sich hatten und ich sie bat, ob ich etwas davon nehmen könne. Nachdem sie mir ihren gesamten Rest gaben, stellte ich fest, dass ich viel zu viel Salz genommen habe und nichts das ausgleichen konnte. Naja, was halfs, wer weiß, wann ich das nächste bekomme und mit der Motivation konnte ich es einigermaßen drin behalten. Dann komm ich wenigstens mal auf meine 2 l Wasser :) Aber auch das stellte sich im Nachhinein als falsch heraus, da ich mein Zimmer mit 9 anderen teilte ich (zum Glück) oben schlief, jedoch die kleine Lauffläche mehr als Abstellflläche für die ganzen Taschen und Rucksäcke dienten. Ach ja, und es war ein gemischtes Zimmer, was mich nicht weiter störte, höchstens vielleicht den einzigen Kerl inmitten von 8 lauten Mädchen, gerade der Pubertät entronnen und wahrscheinlich das erste Mal weg von Mutti genossen. So spielten sie Trinkspiele bis Mitten in der Nacht. Und dann standen sie auch noch so früh auf. Als ich dann irgendwann auf die Uhr schaute, stellte es sich jedoch als perfektes Timing heraus, denn es war bereits 9:10 und um 10 musste ich auschecken. So stand ich also wieder 9:50 in der "Lobby" mit meinem Gepäck und wusste nicht, wohin. Ich hatte noch keine direkte Zusage fürs WWOOFing (willing workers on organic farms, wo man für 4-5 h Arbeit am Tag, Unterkunft und Verpflegung bekommt) und so ging ich erstmal zum Strand, wohin auch sonst. War ein komisches Gefühl für mich, so ungewohnt, beängstigend, aber irgendwie auch abenteuerlich. Aber am Ende meint das Schicksal es doch immer gut mit mir, also bekam ich, gerade als ich das Hostel verließ, einen Telefonanruf von Tanya Beverly, die sich über mein Kommen freuen würde. Sie holt mich 14 Uhr in Byron ab und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich über die Mittagssonne am Strand aufzuhalten, was ich dann auch tat, aber alleine macht es doch nicht so viel Spaß. Aber irgendwie gingen auch die 4 h rum und sie und ihr Mann Dave holten mich ab und seit diesem Zeitpunkt fühle ich mich vollkommen in ihre Familie aufgenommen. Solche aus vollstem Herzen warmen Menschen, alle 5, selbst die 3 - davon 2 pubertierenden - Kinder (Sam, 10; Lucy, 12; Jack, 14), allesamt sooo aufgeschlossen, liebevoll und fröhlich, als gäb es nichts Böses auf dieser Welt. Hier angekommen, hatte ich zunächst keinen Blick für die wunderschöne Umgebung hier, inmitten das Grundstück liegt. Ich war nur gespannt, was mich erwartet. Und das sah anfangs nicht gerade viel versprechend aus: schlafen im Caravan, Spinnenweben im gesamten Haus (250 m² auf einer Ebene!), Plumpsklo, offene Küche wie in einer Garage, Dusche 500 m entfernt in einem separaten Häuschen, alles sehr rustikal! Sie erzählten mir, dass es unmöglich ist, in ganz Australien auf dem Land zu leben, ohne eine Spinne oder Schlange zu sehen, aber sie erzählte mir auch, dass sie selbst aus Sydney kommt und ihr erster Schlangenkontakt sie 2 Wochen lang beschäftigte, sie mich also gut verstehen könne und sie versicherten mir, dass ich bei ihnen in den besten Händen sei. Und das stimmt tatsächlich, wie geduldig und behutsam sie mit meinen Phobien umgehen - die ich übrigens schon seeehr gut im Griff habe: wer hätte das gedacht, Zähneputzen neben einer medium-sized Spinne und duschen mit Kakerlaken: kein Problem! - und wie einfühlsam sie jeden Tag dazu beitragen, mein Englisch aktiv zu verbessern, das ist unglaublich. Ich fühle mich hier so frei und trotzdem aufgefangen und es ist absolut nicht so, dass sie sich durch mich in ihrer Freitheit und Privatsphäre einschränken, obwohl sie ihr komplettes Familienleben mit mir teilen, von den Mahlzeiten, über die Internetnutzung in ihrem Büro bis hin zu abendlichen Filmen im elterlichen Wohn-/Schlafzimmer mit Kamin und so. Und jeder hier spielt Gitarre von Zeit zu Zeit und das ist so toll! Wir erzählen viel miteinander und sie interessieren sich auch sehr für mein Leben. Wir philosophieren viel, aber noch mehr lachen wir. Dafür reicht mein Englisch, obwohl ich viele meiner Gedanken leider nicht so ausdrücken kann. Aber sie versicherten mir, dass mein Englisch sehr gut ist, aber ich freue ich über jedes neue Wort, das ich dazu lerne und ich merke nun täglich, dass es wirklich besser wird.
Ich denke, genau diese Umstände haben mir allein die vergangenen 4 Tage dazu verholfen, eine völlig andere Sichtweise auf die Dinge zu bekommen. Die Wertschätzung von Lebewesen, auch wenn sie im ersten Moment ekelerregend wirken, doch ein Recht auf Leben haben und man sich in seine Umwelt friedvoll einbinden kann. Ich will jetzt aber keinen ökologischen Vortrag halten, sondern noch ein wenig von meinen Eindrücken berichten. Die Familie lebt hier auf 3 acres Land und teilt sich noch 100 acres mit 6 weiteren Bewohnern der Community hier, die alle (bis auf "meine" Familie) Hippis sind. Das bewohnte Land befindet sich in einem Tal, umgeben von Regenwald und NUR Regenwald. Mittwoch nahm mich der Jack, der älteste Sohn mit zu einem Creek, eine Art Bachlauf, der sich hier auf dem Grundstück befindet (ach übrigens 2 Pferde und 4 Hühner, die seit gestern 8 sind :-) gibt es hier auch) und er war sehr fürsorglich mit mir, da wir über glitschige Steine auf dem Bach, durch dichtes Gestrüpp (natürlich) mit Spinnenweben und schlammige Hügel mussten. Warum schlammig? Weil es den ganzen Dienstag und die Nacht davor, wie in Strömen geregnet hat und das ca. 20 h. So konnte ich an meinem ersten Arbeitstag auch nur eine Indoor-Arbeit verrichten und das war Perlen nach einem dust storm säubern und sortieren. Aber alles freiwillig! Tanya meinte, ich könnte auch den ganzen Tag im Bett bleiben, wenn ich möchte, aber deswegen bin ich ja nicht hier und das wäre auch nicht fair. So versuche ich jeden Tag wirklich so viel zu schaffen wie ich kann. Mittwoch und gestern habe ich Unkraut gejähtet. Hatte ganz schön Muskelkater. Ist aber eine schöne Arbeit. Da die Kinder tagsüber in der Schule sind und Dave auf einer Baustelle woanders arbeitet, bin ich mit Tanya von 8:30 bis 15:30 alleine. Mittag macht jeder, was er mag. Tanya bäckt Brot selbst und macht regelmäßig Muffins und Cookies und abens essen wir alle gemeinsam. Mittwoch hatten wir community dinner, wo ich auch die anderen community Bewohner kennenlernte. Dieser Austausch war mal wieder sehr interessant es war so romantisch bei Feuer die beste Pizza aller Zeiten zu essen und den atemberaubenden australischen Sternenhimmel zu betrachten. Ich weiß nicht, wieso er noch schöner als der über der Nordhalbkugel ist, aber ist es wirklich so. Man sieht die Milchstraße so deutlich und ich glaube die Venus gesehen zu haben. Aber keine Angst, Drogen waren nicht im Spiel. Es waren ja Kinder anwesend :-) Das war übrigens auch die letzte Nacht, in der es noch mild war. Seitdem sind die Nächte wirklich verhältnismäßig kalt (gefühlte 10-15°C), besonders in meinem Caravan, wo fast jede Fensterscheibe aufgrund dem am Wagen angebrachten Basketballkorb eingeschlagen ist (und ich deswegen in der ersten Nacht erst nach Einsetzen des Regens schlafen konnte, da sie das Geräusch grasender Mäuse und Ratten überdeckten).
So, am Donnerstag und Freitag war normale Arbeit wieder im Garten und ich ging recht zeitig ins Bett (21-22 Uhr). Nichts neues und doch ist jeder Tag für mich so besonders und wertvoll, dass ich versuche jeden Moment wie einen Schwamm in mich aufzusaugen.
Samstag früh fuhr ich dann mit Ananda einem weiteren Community-Bewohner nach Byron, um mich dort mit Florian und Jan zu treffen. Wir hatten einen tollen Tag dort. Es war gerade Triathlon dort und wir erklommen den östlichsten Zipfel Australiens. Das war schon ein besonderer Moment für mich... Eigentlich wollte ich auch nach einer Nacht im Hostel den Sonntag dort verbringen, doch dann entschloss ich mich, mit meiner Familie auf den Market in der Nähe zu gehen (eine Art Hippie-Markt), wo sie Kaffee und Saft verkaufen. Es war sehr wichtig für mich, dorthin zu gehen, weil sie so davon schwärmten und sie haben nicht zu viel versprochen. Es war ein ganz besonderer Tag für mich, die Atmosphäre dort, schwer zu beschreiben, so beschwingt, so unheimlich positiv in jeder Hinsicht. Man muss es einfach fühlen. Ich hatte sehr viele schöne Gespräche dort und half auch ein bisschen beim Verkauf. So seit dem Tag habe ich einen ganz deutlichen Ruck bezüglich meiner Sprache gespürt und fühlte mich den ganzen Tag wie auf Droge, ohne welche zu nehmen (Ehrenwort! :-)) Warum die Leute hier Drogen nehmen ist mir sowieso ein Rätsel... Hier merkt man tatsächlich, dass es ein "lucky country" ist.
Und mit dieser einfachen Zusammenfassung verabschiede ich mich und hoffe, euch nicht gelangweilt zu haben mit meinem sehr ausführlichen Bericht. Die nächsten werden hoffentlich kurzweiliger, es ist nur zur Zeit so eine Art Umschwung in mir und meiner Sicht der Dinge, dass ich euch möglichst detailliert daran teilhaben lassen wollte. Ich wünsche euch ebenfalls eine schöne Zeit und hoffe, es geht euch allen gut. Freue mich immer von euch zu hören!
From Australia with love :-)
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